Erkunde die Geschichte von Migration, Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit in Deutschland und den USA über die Jahrhunderte.
1960
Selbstorganisation in der BRD
Bevor sich die sogenannten „Migrantenselbstorganisationen“ (MSO) gründen, werden Arbeitsmigrant*innen zunächst seitens der Wohlfahrtsverbände betreut. Insbesondere kirchlichen Verbänden, die in der Nachkriegszeit durch ihr christliches Engagement Vertriebene und Geflüchtete gesellschaftlich zu integrieren versuchten, kommt mit der Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer*innen ein neues Aufgabenfeld zu.
Während der Deutsche Caritasverband sich der Betreuung von Migrant*innen aus den katholischen Ländern wie Italien, Spanien und Portugal annimmt, ist das Diakonische Werk für die Betreuung der protestantischen Migrant*innen und Anhänger*innen der griechisch-orthodoxen Kirche zuständig. Für die türkischen Arbeitnehmer*innen sind die Arbeiterwohlfahrten verantwortlich. So richtet die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Köln und Stuttgart die ersten Beratungsstellen für türkische Arbeitnehmer*innen unter dem Namen Türk Danis ein. Sie kümmern sich vorwiegend um bürokratische Anliegen mit Banken, Versicherungen, Behörden und Ämtern, stehen aber auch bei beruflichen, rechtlichen und privaten Schwierigkeiten beratend zur Verfügung. Die Zahl der Büros wächst bis ins Jahr 1967 auf 37 Büros.
Die Angebote der Türk Danis werden allerdings nur von einem kleinen Teil der türkischen Gemeinde wahrgenommen, da sich die Stelle vorwiegend um institutionelle Belange kümmert und die Öffnungszeiten begrenzt sind. Deshalb bilden sich zu der Zeit die ersten selbstorganisierten Arbeiter*innenvereine. Der 1962 gegründete Verein türkischer Arbeitnehmer*innen in Köln und Umgebung zählt zu den ersten türkischen Selbstorganisationen in der BRD, dem viele weitere folgen. Während türkische MSO in den meisten Fällen unabhängig von staatlichen oder religiösen Institutionen organisiert sind, schließen sich Vereine und Selbstorganisationen italienischer, spanischer und ex-jugoslawischer Arbeitsmigrant*innen überwiegend an kirchliche Institutionen an. Handelt es sich anfangs noch um Treffpunkte für vor allem männliche* Migranten, bei denen Karten gespielt und Zeitung gelesen wird, entstehen in den 1970er Jahren auch vermehrt Angebote für Migrantinnen, etwa Frauenchöre und Nähstuben (siehe Feministische Selbstorganisation, 1991). Im Laufe der Zeit entstehen zunehmend Vereine mit bestimmten Ausrichtungen wie z.B. Sportvereine (vor allem Fußballclubs) oder politische Vereine, die aufgrund des geringen politischen Mitspracherechts (z.B. Wahlrecht) eine wichtige Funktion für die politische Partizipation von Migrant*innen in der BRD darstellen.
Der 1962 gegründete Verein türkischer Arbeitnehmer*innen in Köln und Umgebung zählt zu den ersten türkischen Selbstorganisationen in der BRD, dem viele weitere folgen.
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Sources
Monika Mattes. Gastarbeiterinnen« in der Bundesrepublik: Anwerbepolitik, Migration und Geschlecht in den 50er bis 70er Jahren (Geschichte und Geschlechter). Campus Verlag, September 12, 2005.
Matthias Kortmann. Migrantenselbstorganisationen in der Integrationspolitik: Einwandererverbände als Interessenvertreter in Deutschland und den Niederlanden. Münster: Waxmann Verlag GmbH, 2011.