Erkunde die Geschichte von Migration, Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit in Deutschland und den USA über die Jahrhunderte.
1896
Völkerschauen und Kolonialausstellung
Schon in der Frühen Neuzeit wurden nicht-europäische Menschen, die zusammen mit Pflanzen, Tieren und Gegenständen von „Entdeckungsreisen“ der Europäer*innen nach Europa gebracht wurden, öffentlich ausgestellt. Im 19. Jahrhundert entwickeln sich die sogenannten Völkerschauen in Europa allmählich zu lukrativen Massenveranstaltungen. Die erste große Völkerschau in Deutschland wird 1874 vom Hamburger Tierhändler Carl Hagenbeck organisiert, bei der er eine Gruppe „Lappländer*innen“ sowie später eine Gruppe Nubier*innen aus dem Sudan zur Schau gestellt werden. Bis 1940 finden rund 400 Völkerschauen in Deutschland statt, ca. 100 davon durch die Firma Hagenbeck. Hagenbeck perfektioniert den Ablauf der Völkerschauen und verhilft ihnen zu großem kommerziellem Erfolg. Charakteristisch sind „exotische“, „wilde“, sehr körperbetonte und häufig erotische Darstellungen der Menschen, wodurch die Phantasien und Erwartungshaltungen der weißen Zuschauer*innen über das „Andere“ und „Fremde“ bedient werden. Dabei geht es weniger darum, über das tatsächliche Leben der Menschen aufzuklären, als bestehende Vorurteile und Stereotype der weißen Mehrheitsgesellschaft zu bestätigen. Die Teilnehmer*innen, die teilweise bei den Schauen wie Tiere in Käfigen gehalten werden, sind dabei in ihren Herkunftsländern selbst häufig Schausteller*innen oder Artist*innen, die einen hohen sozialen Status genießen. Bei der ersten deutschen Kolonialausstellung in Berlin 1896, die im Rahmen einer Gewerbeausstellung gezeigt wird, werden mehr als hundert Afrikaner*innen aus deutschen Kolonien (siehe Berliner Konferenz, 1884) am Karpfenteich des Treptower Parks in einer Dorfszenerie der Öffentlichkeit präsentiert. Viele der Schausteller*innen gehören in ihren Herkunftsländern dem Bürger*innentum oder Adel an oder genießen aufgrund ihres beruflichen Standes hohes Ansehen. Sie kennen die Rituale und Bräuche nicht, die sie in dem künstlichen Dorf vorführen sollen. Dies führt unter anderem dazu, dass der Sohn des Herero-Anführers Samuel Maharero, Friedrich Maharero, sich gegen die volkstümliche Verkleidung wehrt und bei der Ausstellung in einem Anzug erscheint. Die Völkerschauen und Kolonialausstellungen werden im Zuge von Kämpfen um dekoloniale Erinnerungspolitik von verschiedenen Communities noch heute scharf kritisiert. Den jüngsten Höhepunkt bildet die Debatte um das „Afrikanische Dorf“ im Augsburger Zoo im Jahre 2005, wo neben wilden Tieren und Käfigen eine Art „afrikanischer Markt“ von Schwarzen Menschen aufgebaut wird. Nicht nur erinnert dies stark an die kolonialrassistischen Völkerschauen aus dem 19. Jahrhundert, auch werden dadurch, so die Kritik, koloniale Blick- und Machtverhältnisse reproduziert.
Delegation aus Namibia in Berlin anlässlich der Ersten Deutschen Kolonialausstellung in Berlin-Treptow
Viele der Schausteller*innen gehören in ihren Herkunftsländern dem Bürger*innentum oder Adel an oder genießen aufgrund ihres beruflichen Standes hohes Ansehen.
Germany
Sources
Ulrich Herbert. Geschichte Der Ausländerpolitik in Deutschland: Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge. München: CH Beck, 2001.
Fatima El-Tayeb. Schwarze Deutsche: Der Diskurs um ‚Rasse’ und nationale Identität 1890-1933. Campus Verlag, 1999.