Erkunde die Geschichte von Migration, Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit in Deutschland und den USA über die Jahrhunderte.
2014
Wegfall der Arbeitsbeschränkung
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist das Recht aller Bürger*innen eines EU-Mitgliedstaats in einem anderen EU-Mitgliedstaat eine Beschäftigung zu suchen und auszuüben. Rumänischen und bulgarischen Arbeitssuchenden blieb diese Möglichkeit bis Januar 2014 verwehrt, da in Deutschland eine Beschränkung herrschte. Bis 2014 war es nur Hochqualifizierten, Saison-Arbeiter*innen und entsandten Beschäftigten möglich legal und sozialversicherungspflichtig in Deutschland zu arbeiten. Alle anderen durften nur dann in Deutschland arbeiten, wenn für ihre Stelle kein*e arbeitslose*r Deutsche*r oder Alt-EU-Bürger*in in Frage kam. Diese sogenannte „Vorrangprüfung“ bestanden nur die wenigsten, wodurch ein Großteil der Arbeitssuchenden in die Selbstständigkeit gedrängt wurde.
Diese Zwangs-Selbstständigkeit wurde insbesondere in der Bau- und Reinigungsbranche ausgenutzt, in der rumänische und bulgarische Selbstständige ähnlich wie in einem abhängigen Arbeitsverhältnis beschäftigt waren. Auftraggeber*innen konnten so Mindestlöhne umgehen, mussten keine Sozialversicherung zahlen und keine Arbeitsrechte einhalten. Dadurch waren rumänische und bulgarische Arbeiter*innen teilweise sehr schlechten Arbeitsbedingungen ausgesetzt und standen gleichzeitig unter dem Generalverdacht der Scheinselbstständigkeit. Arbeiter*innen mit bestimmten Gewerbetätigkeiten mussten ein Zusatzfragebogen beim Finanzamt ausfüllen, der Fangfragen enthielt. Auch Jobcenter lehnten viele Anträge mit dem Vorwurf der Scheinselbstsändigkeit ab, sobald Personen mehr als ein Mal für die*den gleiche*n Auftraggeber*in tätig waren. Der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit wurde somit zum staatlichen Steuerungsinstrument, das zwischen „gewollten“ und „nicht gewollten“ Zuwander*innen unterschied. Im Zuge der innereuropäischen Migrationsbewegungen als Folge der EU-Wirtschaftskrise wird diese Unterscheidung auch medial aufgegriffen, indem Migrant*innen in erwünschte Hochqualifizierte und unerwünschte „Armutsmigrant*innen“ eingeteilt werden (siehe Innereuropäische Migration,2011).
Mit dem Wegfall der Arbeitnehmerfreizügigkeitsbeschränkung im Januar 2014 steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen stärker an als die Neuzuwanderung. Das bedeutet, dass vermehrt Menschen die Selbstständigkeit zugunsten einer Anstellung aufgeben können. Jedoch arbeiten immer noch viele Rumän*innen und Bulgar*innen scheinselbstständig, da Arbeitgeber*innen auch weiterhin versuchen Sozialabgaben zu sparen.
Die Basisgewerkschaft FAU Berlin unterstützt 20 um den Lohn geprellte Bauarbeiter_innen in ihrem Kampf. Sie hatten auf der Baustelle der "Mall of Berlin" gearbeitet und sind nun durch ausbleiben des Lohns obdachlos.